Klasse 10a im Marieluise-Fleißer-Museum in Ingolstadt
Der Deutschunterricht leistet einen zentralen Beitrag zur kulturellen Bildung. Die Schülerinnen und Schüler erschließen dabei literarische Texte und berücksichtigen auch Zeitbezug oder biografische Informationen, heißt es im LehrplanPlus für das Gymnasium in Bayern. Zu einer derartigen Begegnung mit Literatur vor Ort kam es am Dienstag, als die Klasse 10a mit ihrem Deutschlehrer Robert Luff nach Ingolstadt ins Marieluise-Fleißer-Museum fuhr und dort eine sachkundige Führung durch das Geburts- und Wohnhaus der Autorin der Neuen Sachlichkeit erhielt. Begleitet wurden sie von Markus Kleinert.
In den Wochen zuvor hatten die Schülerinnen und Schüler das Fleißer-Drama „Pioniere in Ingolstadt“ in Auszügen gelesen, analysiert und drei Szenen daraus dramaturgisch erschlossen und nachgespielt. Der Besuch im 2020 vorbildlich restaurierten Fleißer-Haus in Ingolstadt war jetzt das I-Tüpfelchen auf der Unterrichtseinheit. Und die Schüler waren sichtlich begeistert, als sie durch das im 15. Jahrhundert erbaute Bürgerhaus geführt wurden, in dem Fleißers Vater eine Schmiede und einen Laden für Metallgegenstände und Küchenutensilien betrieb. Marieluise Fleißer und ihre Begeisterung für das Schreiben wurden so hautnah erfahrbar. Und auch die Anfeindungen gegen die ungeliebte Tochter der Stadt waren ein Thema: 1928 hatte sie das Skandalstück „Pioniere in Ingolstadt“ geschrieben, das Bertolt Brecht ein Jahr später im Berliner Theater am Schiffbauerdamm inszenierte und damit die Entrüstung der bürgerlichen Kritiker hervorrief, die der Autorin den unverhohlenen Blick auf das ungleiche Geschlechterverhältnis und auf sexuelle Beziehungen zwischen Soldaten und Dienstmädchen übelnahmen. Erst in den 60er Jahren wurde Marieluise Fleißer in ihrer Heimatstadt rehabilitiert. Seit 1981 lobt die Stadt Ingolstadt alle fünf Jahre, seit 2001 alle zwei Jahre einen Fleißer-Preis aus. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich im Fleißer-Haus aber auch mit dem Drama selbst, indem sie Sprechblasen bestimmten Szenen zuornetet, die als Skizzen und Radierungen vorlagen. Doch sie füllten auch eigene Sprechblasen in moderner (Jugend-)Sprache aus und spielten einzelne Szenen des Dramas mit Holzfiguren nach. Die Begegnung mit einer Primärstätte der deutschen Literatur wirkte motivierend und steigerte das Interesse der Schülerinnen und Schüler an einem Drama, das vor fast 100 Jahren geschrieben wurde.